In der Dubai Mall wimmelt es von Touristen. Auch Einheimische in ihren traditionellen Outfits, Männer tragen die langen weißen Dishdashas, Frauen die weit geschnittenen, schwarzen Abayas, schlendern von Attraktion zu Geschäft, vom Goldladen zum Food Court. Shoppen bis Mitternacht, Eislaufen im Sommer und Haifische bestaunen im größten Aquarium der Welt. Das Konsumrad beginnt sich in Dubai Tag für Tag von Neuem zu drehen. Die Mall ist so groß, dass der Verkehr im Parkhaus eine eigene Verkehrsaufsicht braucht. Zwischen den 1.200 Geschäften kann man sich mit einer Art Mini-Taxi herumkutschieren lassen.
In Dubai ist alles maximal
Dubai strotzt vor Superlativen. Das höchste Gebäude der Welt. Umgeben von der am höchsten in die Luft schießenden Wasserfontäne auf diesem Planeten. Daneben eine der größten Shopping Malls, die jemals gebaut wurden. Die neue, vollautomatische Metro schneidet sich auf hohen Betonstelzen wie eine Rennbahn der Zukunft durch Glastürme und fein säuberlich begrünte Verkehrsinseln. Künstlich angelegte Wasserstraßen, libanesische Straßencafés, die perfekt in Szene gesetzte Milchshakes servieren.
Auf den Betonsäulen vor den Busstationen haben Wohnungsbesitzer Zettel aufgehängt: “Schlafplatz für Single”, “Wohnung für Angestellten aus Indien”. Arbeitsimmigranten aus Afrika und Asien machen mehr als drei Viertel der 1,3 Millionen Einwohner zählenden Metropole aus. Nach der Hitze und der Schufterei am Tag, wenn die Touristen in ihren komfortablen Hotelbetten schlummern oder in den teuren Nachtklubs der Hotels leicht bekleidete asiatische Mädchen beim Singen und Tanzen begaffen, erwachen die Wohnviertel der Gastarbeiter in Dubai zum Leben.
Indische Arbeiter und Büroangestellte treffen sich bis spätabends in kleinen Cafés zu Samosas und Tee mit Milch. Gläubige in traditionellen langen Hemden und weiten Hosen schlurfen mit zusammengerollten Teppichen in der Hand zum Gebet in die nächste Moschee. Nur am Abend wird der Ruf des Muezzins nicht von Straßenlärm und Bauarbeiten übertönt.
Dubai heißt: Leben ohne Leidenschaft
Jede Stadt fühlt sich anders an: Der Blumenhändler in Paris, der vorbeiflanierenden Verliebten Lavendelzweige unter die Nase hält. Ein Wimpernschlag reicht, und die Stadt bestätigt ihren Ruf. Die schnelle Zunge des Fahrscheinverkäufers in Colombo, die wieder und wieder die Orte und Städte herunterspult, in die der Bus als nächstes rumpelt. Ein Wimpernschlag, und die Seele der Stadt offenbart sich als rau, heiß, laut, chaotisch. Dubai hat keine Seele, es fühlt sich nach nichts an.
Kaum ein Gebäude ist älter als ein paar Jahrzehnte. Kaum einer der hier lebt, ist verwurzelt. Es scheint, als hätten all die Straßenfeger, Fischhändler, Souvenirverkäufer, Bauarbeiter und Taxifahrer die Leidenschaft für das Leben irgendwo auf dem Weg zwischen ihrer verlassenen Heimat und dem geordneten Großstadtbetrieb Dubais verloren. Für einen halbwegs sicheren Job haben sie ihr Zuhause aufgegeben. Dubai ist nur Zwischenstation, nicht das wahre Leben. Kitschige Phrasen sind hier Realität.
Muhmmad, Pakistani, 400 Euro Lohn
“Was soll ich machen?”, sagt ein Taxifahrer aus Pakistan, seine Frau und seine drei Kinder sieht er einmal im Jahr für zwei Monate. Er sagt das weder zornig noch wehmütig, sondern wie jemand, der sich seinem Schicksal gefügt hat. Ein anderer Pakistani, Muhmmad, steht seit vier Jahren 13 Stunden pro Tag vor einem Souvenirladen hinter dem Gewürzsouk. In Karachi hatte er einen Job als Fabriksaufseher, “schlecht bezahlt”.
In seinem neuen Leben in Dubai verdient er rund 400 Euro pro Monat, 60 Euro zahlt er für eine Schlafgelegenheit, die er sich mit neun anderen Gastarbeitern teilt. Gekocht wird abwechselnd für alle, das kostet Muhmmad um die 40 Euro im Monat. Den Rest seines Geldes schickt er nach Hause, zu seiner Frau, seiner Mutter und seinen Schwestern. Essen will gekauft, Arztrechnungen wollen bezahlt werden.
Vielleicht in zehn Jahren…
Wenn Muhmmads Frau in Pakistan bald ihr erstes Kind bekommt, wird er noch immer Stoffkamele und Postkarten einer Stadt ohne Seele verkaufen. Dass die meisten Touristen nur flanieren und höchstens die Russen wirklich Geld ausgeben, hat Muhmmad schon gelernt. Auch, dass die gebildeten Nordinder die Shops besitzen, in denen die Ungebildeten aus Südindien und Pakistan schuften, gehört zu seinem Wissen.
Nur über seine Zukunft weiß er nicht viel. Sein Baby wird er das erste Mal sehen, wenn es ein paar Monate alt ist. 15 Kinder könnten es mindestens werden, wenn es nach Muhmmad ginge. Irgendwann will er endgültig zurück nach Pakistan, vielleicht in zehn Jahren, vielleicht erst später. Und vielleicht, sagt der Mann mit den braunen, gutmütigen Augen, macht er dann sein eigenes Geschäft auf.