Fünf Tage in über 3.000 Metern Höhe, mit dem 6.200 Meter hohen Salkantay im Blick. Mark Gattermann bewältigt einen der schwierigsten und steilsten Treks zum Machu Picchu in Peru. Im Eiltempo.
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Das Ziel: Machu Picchu. Der Weg: Salkantay Trek. Die Luft: dünn. Mark Gattermann aus Oberösterreich entscheidet sich spontan, die Fünf-Tages-Tour durch die peruanischen Anden zu bezwingen. Ohne große Vorbereitung fliegt er nach Peru, um einen weißen Fleck auf seiner Landkarte zu füllen: “Genau das macht den Reiz aus. In ein Land zu fahren, ohne große Erwartungen. Man macht es einfach – ganz egal, was dort passiert.”
Die Luft wird dünn
Nach dem Start um drei Uhr morgens, einer zweistündigen Fahrt zum Ausgangspunkt und wenigen Metern Fußmarsch beschließen seine Trekking-Kollegen, umzukehren. Zu stark wurden die Beschwerden, jetzt steht der 30-Jährige alleine da. “Der Guide brachte die Mädels zurück und ich sollte einfach dem Weg folgen. Einen Pfad konnte ich zwar nicht wirklich ausmachen, aber ich ging einfach in meinem gewohnten Tempo los. Der Guide würde mich dann gleich wieder einholen – das dachte er jedenfalls”, erzählt der Sportler und grinst. Begleitet wird er lediglich vom Sonnenschein, der ihn bei den wenigen Graden über Null wärmt, und vom Blick auf schneebedeckte Berggipfel. “Nach zwei Stunden machte ich eine Pause. Ich hatte völlig auf Essen und Trinken vergessen und merkte, dass meine Energie nachließ. Als ich aber nach vier Stunden immer noch alleine unterwegs war, machte ich mir langsam Gedanken, schließlich war die Tagestour für sechs bis zehn Stunden angelegt.”
Plötzlich ein Ruf in der Landessprache Quechuan im Mix mit Englisch. “Es hieß: Nochmal warten auf den Esel mit dem Gepäck und den Lebensmitteln. Also setzte ich mich einfach hin. Das war der Start meines Urlaubes. Die starken Sonnenstrahlen sprengten Teile des Gletschers. Die Geräuschkulisse und die Aussicht – das war Freiheit pur!”, erinnert sich Mark. “Du bist alleine in der peruanischen Wildnis und weißt, irgendein Koch holt gerade Essen für dich. Und du wartest. Da war mir klar, dass ich kein Standardreisender bin. Das war Abenteuer!”
Zu schnell für die Crew
Nach etwa einer Stunde kommt der Koch mit dem Esel und deutet mit Händen und Füßen, langsamer zu gehen. “Du bist ja der Speedy Gonzalez der Anden!”, keucht er. Doch weiter geht‘s im Tempo des Oberösterreichers. Erst nach dem Pass über dem Tal des Apurimac River, dem heiligen Tal, merkt er, dass er tatsächlich etwas zu schnell unterwegs ist. “In den österreichischen Bergen wäre das Tempo absolut in Ordnung gewesen, aber nicht in dieser Höhe. Es war zu stark, zu anstrengend. Mein Kopf hämmerte bei jedem Schritt, der Rucksack schnürte an den Schultern, meine Maschine war überdreht”, so Mark. Und doch überholt er weiterhin andere Trekker und bringt sogar eine vermisste Touristin wieder mit ihrer Gruppe zusammen.
Katzenwäsche und Privatkoch
Angekommen im Camp, hat sein “Privatkoch” bereits das Zelt aufgestellt, heißen Tee zubereitet und warmes Wasser für die “Katzenwäsche” bereitgestellt. “Dann erklärte mir der Koch, dass die erste Übernachtung eigentlich schon bei der ersten Pause geplant gewesen wäre. Dem Plan waren wir also um einiges voraus. Die zwei Stunden bis zum Abendessen benötigte ich dringend. Ich konnte mich erholen und mich an die Höhe gewöhnen, auch die Kopfschmerzen ließen nach.”
Luxus-Abendessen mitten in den Bergen
“Man glaubt kaum, was der Koch mitten im Nirgendwo aufgetischt hat! Da gab‘s frische Gemüsesuppe, danach Cous Cous mit Alpaca-Fleisch, Gemüse und frischen Salat mit Tomaten, Gurken und Avocado und Tee. Abschließend noch Kekse, einmal sogar Kuchen!”, erzählt Mark. Auch das Frühstück nach dem Wecken um fünf Uhr habe keine Wünsche offen gelassen: “Heißes Wasser zum Waschen, Coca Tee, Omelette, Früchte, frisch gepresster Orangensaft.”
Gekocht wird bei solchen Trekkingtouren in Übernachtungscamps, die sich bei Privathäusern befinden. Köche und Guides dürfen die Küchen der Familien benutzen, die auch Snacks und Softdrinks verkaufen, selbst aber teilweise auch draußen schlafen. “An einem Tag beobachtete ich die Familie bei ihren alltäglichen Geschäften. Sie verkauften Snacks im kleinen Shop und kochten in der Küche. Aber wo sollten sie schlafen? Am Abend zauberten sie Matratzen und ganz viele Decken hervor. Sie umhüllten einen Unterstand, der auf allen vier Seiten offen war mit den Decken, legten ihn mit Matratzen aus und wickelten sich selbst in die restlichen Decken, Hauben und Schals”, sagt Mark und zuckt Mark mit den Schultern.
Gerüchteküche – “Da rennt einer alleine rum!”
In den Camps begegnet Mark ab und zu anderen Gruppen. Und vermehrt hört er: “Ach, du bist das, der da alleine in Rekordtempo rumrennt! Von dir haben wir schon gehört!” Nach vier Tagen in den Bergen erreicht der Trekker wieder die Zivilisation, das Handy hatte wieder Empfang. Von Aguas Calientes geht es mit dem Bus zum Machu Picchu, der freigelegten Inka-Stadt aus dem 15. Jahrhundert auf 2.360 Höhenmetern. “Am besten ist es, schon ganz bald in der Früh vor Ort zu sein. Da sind die wenigsten Menschen und das Wetter ist am schönsten”, rät Mark.
Die Inkas wussten scheinbar ganz genau, wie sie bauen mussten. “Die Wände sind drei bis sieben Grad schief, um bei einem Erdbeben nicht gleich einzustürzen, Kanten sind exakt abgeschliffen – es rankt sich viel Mythologie um diesen Ort”, erklärt Mark und zeigt mit den Fingern, wie genau die Kanten abgemessen sind. “Schade, dass von den Inkas nur ganz wenig überliefert wurde. Für ihre Knotenbilder gibt es keinen Schlüssel und eine Schrift gab es damals noch nicht.”
Für viele Menschen ein Kraftort
Nach Machu Picchu, das 1983 von der UNESCO in die Liste des Weltkulturerbes aufgenommen wurde, pilgern täglich bis zu 2.000 Touristen. “Erst wenn es ganz ruhig ist, dann ist es der Wahnsinn. Manche Menschen meinen, sie spüren eine besondere Kraft, wenn sie dort sind”, sagt Mark. Ob auch er so etwas gefühlt hat? “Ehrlich gesagt, nein. Ich habe aber auch nicht nach dieser Kraft gesucht – ich habe sie nicht gebraucht.” (Daniela Nowak, kofferpacken.at; Fotos: Mark Gattermann)