Tiefster Urwald, frische, kühle Luft, der Inbegriff von Natur. Und plötzlich steht man vor dem Nichts: Der Hügel einfach flach planiert und Schotter häuft sich dort, wo sonst der Blätterwald nur noch dichter wäre. In den Cameron Highlands wird die Natur für den Anbau von Tee und Erdbeeren plattgewalzt.
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Ein tiefer Atemzug. Es riecht frisch nach gerade erwachtem Tag, feuchter Luft und Bäumen. Nach dem Grün der Blätter, des Moses und der Sträucher, die hier im höchsten Gebiet Malaysiens wachsen. Die Cameron Highlands sind bei den Malaysen besonders im Hochsommer beliebt. Es ist die einzige Region, die auf Temperaturen um die 15 Grad Celsius abkühlt und dennoch die Wärme der Sonne erlaubt. Es ist die Region, wo der Tee für ganz Malaysien angebaut wird, wo Teefabriken die exotischsten Teesorten produzieren und wo Erdbeeren im Minutentakt gepflückt werden. Das alles hört sich sehr idyllisch an. Ist es auch. Doch der Eindruck von Natur-pur täuscht.
Wanderwege am höchsten Ort Malaysiens
Tiefster Urwald tut sich vor den Wanderern auf, kaum ein Weg ist auszumachen, links und rechts tropische Grünpflanzen, ab und zu eine farbige Blüte, deren Namen man nicht aussprechen kann oder ein Vogel, der in hohen Tönen singt und die Aufmerksamkeit der Wanderer auf sich zieht. Große, hohle Wurzeln, die sich wie ein Kunstwerk von links nach rechts über den ausgetretenen Pfad winden und Moosranken, die sich von den Bäumen hängen lassen. Ein tropisches Wanderparadies.
Auf den Trails 10, 11 und 12 kann man gleich alle drei Wege verbinden und wandert somit auf einer Runde zurück nach Tanah Rata. Durch Tan’s Camellia Garden – einem tropischen Garten mit farbenfrohen Blüten – führt der Zugang zu Trail Nummer 10. Ein teilweise steiler Aufstieg lässt die eigentlich angenehmen Temperaturen in den Cameron Highlands schnell mal zur feuchten Hitze werden. Auf dem Gunung Jasar auf 1.696 Metern Höhe genießt man einen weiten Blick über die sanften Hügel der Teeanbaugegend. Man muss nicht den gleichen Weg zurück gehen sondern kann direkt weiter gehen zu Gunung Perdah auf 1.576 Metern Höhe. Doch plötzlich steht man vor einer Schottergrube. Tiefe Spuren in den weißen Kieselsteinmassen lassen die Wege der Planierraupen erahnen und ein bisschen Müll blieb von der Baustelle zurück. Trail 11 gibt es nicht mehr.
Tee- und Erdbeerplantagen in den Highlands
Bei der Rückkehr über den Trail 10 stellt sich der Wanderer unweigerlich die Frage, warum denn alle von dieser tollen Runde sprechen, und warum es plötzlich nicht mehr weiter ging. Warum man mitten in den Hügeln plötzlich alles niederwalzt und wie um Himmels Willen kommen dort überhaupt Baufahrzeuge hin? Gespräche mit den Einheimischen liefern Erklärung. „Die Landwirtschaft soll erweitert werden. Es soll noch mehr Tee angebaut werden, um die große Nachfrage zu stillen“, erzählt TJ Nur, Besitzer der TJ Travel Tours und des gleichnamigen Hostels. „Es ist furchtbar! Unsere wunderschönen Hügel werden nun auf Kosten von Tee und Erdbeeren platt gemacht. Trail 11 gibt es nicht mehr. Auch bei den anderen Trails wie beispielsweise bei Nummer 3 muss man schon mit Hindernissen rechnen. Dahinter steckt das Big Business. Wir werden hier nicht gefragt, sondern können nur tatenlos zusehen.“
Er blickt aus dem Fenster und zeigt Richtung Gunung Jasar. „Auf den Bergen kann man nichts anbauen. Sie sind ihnen im Weg“, so TJ. Die Einheimischen seien stolz auf ihre Naturschätze. Der Tee und die Erdbeeren bringen den Tourismus und werden in alle Ecken des Landes verkauft. Deshalb geht es der Region gut. TJ ist dennoch sehr enttäuscht über die Behörden, die diese Entscheidungen treffen. „Unsere Wanderer kommen jedes Mal ganz traurig zurück und fragen mich, was da los ist. Ich kann ihnen nur die Wahrheit sagen“, zuckt TJ mit den Schultern.
Malaysiens Teeproduktion auf dem Vormarsch
Seit 1929 wird in Malaysien Tee angebaut, produziert und in alle Welt verkauft. Das Geschäft läuft gut, was man auch bei einem Besuch in der Boh Tea Estate-Fabrik sieht. Im Shop werden unglaublich viele unterschiedliche Sorten Tee angeboten, sogar eigene Arten von Instant-Eistee. Das Big Business boomt, denn hier geht kaum ein Besucher mit leeren Taschen raus. Gut, dass man von dieser Industrie in den eigentlichen Teeplantagen noch nichts merkt. Reibt man eines der Teeblätter zwischen den Fingern, riecht man den herzhaften Duft von Schwarztee auf der Haut.
Die weichen Hügel locken jedes Jahr Zigtausende Touristen in die Cameron Highlands. Sie suchen hier die kühle Ruhe von den heißen malaysischen Städten. Den Ausgleich von neu betonierten Metropolen, Hochhäusern und Touristenzentren. In den Teeplantagen und den Hügeln finden sie all dies. Hier herrscht Ruhe. Hoffentlich nicht die Ruhe vor dem Sturm. (Daniela Nowak, kofferpacken.at)