12.000 Grabsteine. Viele Seelen mehr. Auf dem alten jüdischen Friedhof scheint es, als wäre man in einer vergangenen, verwunschenen Welt – mitten in einer Millionenstadt.
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Der erste Schritt in die Zeremonienhalle lässt leichtes Unbehagen aufkommen. Sie entstand im 16. Jahrhundert – heute zeigt sie historische Exponate zur jüdischen Begräbnisgeschichte. Rituale von jüdischen Bestattungen geben einen Einblick in die damalige und derzeitige jüdische Kultur.
Der erste Schritt hinaus auf den alten jüdischen Friedhof lässt beinahe ehrfürchtige Stimmung aufkommen. Neben der Pinkas Synagoge wurden hier jüdische Prager bis 1787 bestattet. Dies wurde durch Kaiser Joseph II verboten, da sich die Stadt ausbreitete und der Friedhof sich bald nicht mehr am Stadtrand befand. Nicht nur Prag vergrößerte sich rasant, auch der Friedhof wuchs auf sage und schreibe 11.000 Quadratmeter an, was einem Fußballfeld gleichkommt. Trotz seiner Größe wurde diese Fläche rasch zu klein, sodass bis zu zwölf Tote übereinander ihre letzte Ruhe fanden.
Beim Streifzug durch die Geschichte fällt der Blick auf schiefe, quer liegende und fast komplett von der Erde verschluckte Grabsteine. Wie schiefe Zähne lugen sie übereinander und geben nur wenig über die Identität der Begrabenen frei. Kaum noch lesbare Inschriften stehen im Gegensatz zu dicken, tiefen Einbuchtungen im alten Stein. Beinahe fühlt man die Anwesenheit der abertausenden Seelen – der älteste Grabstein stammt aus dem Jahr 1439.
Der alte jüdische Friedhof wirkt mystisch, verwunschen und führt die Besucher in eine Welt vor der ihren. Der Lauf der Zeit spiegelt sich in den schiefen Grabsteinen. Und am liebsten würde man die beinahe verschwundenen Steine wieder aus der Versenkung ziehen. Und den Toten an ihrer letzten Ruhestätte wieder einen Namen geben. (Daniela Nowak, kofferpacken.at)