Liebe geht ja bekanntlich durch den Magen. Was für ein langweiliger erster Satz – oder? Aber er stimmt. Und er gilt auch für die Liebe zu fremden Ländern oder Städten: Wo wir außergewöhnlich essen, da gefällt es uns besonders gut. Oft ist es aber gar nicht so leicht, sich als Reisender im kulinarischen Dschungel einer Stadt zurechtzufinden.
Essen in Lissabon – gar nicht so leicht
Lissabon ist das beste Beispiel dafür. In den touristisch gut besuchten Stadtvierteln Baixa, Chiado, Alfama und der Altstadt Bairro Alto gibt es Unmengen an Restaurants. Viele sind überteuert. Authentische lokale Küche sucht man oft vergebens. Dafür wird auf großen Bildtafeln das eigentlich spanische Gericht Paella angepriesen. Oder gespielt freundlich lächelnde Herren in Anzügen halten einem beim Flanieren ununterbrochen Speisekarten ins Gesicht.
Social Cooking bzw. Social Dining als Lösung
Fluchtgedanken kommen da schnell auf. Aber: Wohin bloß? Dass einen Einheimische spontan zum Essen einladen, wie man es manchmal in Büchern liest, passiert wohl in einer Großstadt wie Lissabon eher selten. Aber es gibt andere Möglichkeiten. Zum Beispiel Kochkurse oder Social Dinings, die über Plattformen wie Eatwith angeboten werden. Oder man hat das Glück, sich mit Freunden von Freunden verabreden zu können. Und hautnah in die portugiesische Küche einzutauchen. So passiert in Lissabon.
Portugiesische Spezialitäten, frisch gekocht
Patricia, ihre zwei Kinder und ihr Mann Louis wohnen ein paar U-Bahn-Stationen außerhalb des touristisch geprägten Stadtzentrums von Lissabon. Nach einem Besuch auf dem lokalen Markt geht’s in die Wohnung.
Patricia hat sich für diesen Tag ein ganz besonderes portugiesisches Gericht ausgedacht: Favas. Der traditionelle Eintopf stammt aus der Region Alentejo und enthält Bohnen, Gemüse, Chorizo, Würste und Fleisch. Patricia zeigt mir in der Küche die verschiedenen Zutaten bevor sie loslegt.
Ein Nachmittag in einem fremden Wohnzimmer
Während das Essen vor sich hinköchelt, bringt mir Patricias älteste Tochter die Feinheiten der portugiesischen Sprache bei. Auf YouTube spielt sie mir die Hits ihrer Lieblingsband D.A.M.A vor, die anscheinend gerade zu den populärsten Musikern Portugals zählen. Von Patricias Mann Louis erfahre ich, was es mit der berühmten Fado-Musik auf sich hat. Und die gesamte Familie versichert mir, dass Portugal eines der Fußball-verrücktesten Länder der Welt ist. (Was die Nation ja kurzer Zeit später mit dem EM-Sieg Portugals unter Beweis stellte.)
Noch eine portugiesische Spezialität: Wein aus dem Alentejo
Der Eintopf ist deftig – man schmeckt regelrecht das einfache, harte Leben im ländlichen Portugal. Standesgemäß wird zu der portugiesischen Spezialität ein Glas Rotwein aus der Region Alentejo getrunken. Als Dessert serviert Patricia eine sehr einfache, landestypische Nachspeise in einer großen Tonschüssel: Ovos Molos. Übersetzt heißt das „weiche Eier“ – Eigelb, Zucker und Wasser werden dafür aufgeschlagen.
Zum Abschluss des Tages flanieren wir gemeinsam durch die Stadt und die Familie zeigt mir ihre liebsten Orte. Darunter eine “Ginjinha”-Bar, in der wir ein Stamperl des süßen Kirschlikörs kosten.
Typisches portugiesisches Essen: Sardinen
Ich habe Glück. In Lissabon finden gerade die größten Feierlichkeiten des Jahres statt – rund um den Heiligen St. Antonio. In der Altstadt wird seit Tagen gefeiert, als gäbe es kein Morgen mehr. Und rundherum kommen Familien und Freunde in ihren Häusern und Wohnungen zusammen, portugiesische Spezialitäten werden aufgekocht.
Patricia hat mich wieder zu sich nach Hause eingeladen. Louis grillt frische Sardinen, die Frauen sitzen im Hof und schnippeln Orangen für den hausgemachten Sangria. Die Kinder tollen herum – und ich bekomme von Patricias Freundin Christina schon wieder eine Einladung zum Essen.
Gastfreundschaft in Portugal: eine neue Einladung
Drei Tage später. Mit einem Strauß Blumen in der Hand klingle ich an Christinas Tür. „Wir Portugiesen lieben Essen – wenn wir nicht gerade kochen oder essen, dann reden wir darüber“, hat mir Christina bei der Grillparty gesagt. Das Land hat sich noch nicht von der Wirtschaftskrise erhöht, damals wurden die Löhne gekürzt und die Steuern erhöht. Auf den Tisch kommt trotzdem nur das Beste. Zum Beispiel Chorizo vom Fleischhauer, die in einem traditionellen Tongefäß herausgebrutzelt wird.
Nach einem langen, gemütlichen Abend fällt der Abschied auch hier herzlich aus. Ich habe neue Freunde gefunden, viel über die portugiesische Lebensweise gelernt, fabelhaft und vor allem authentisch gespeist, gelacht, Wein getrunken. Und, vor allem: Das Gefühl mit nach Hause genommen, Teil eines winziges Stücks Lissabons geworden zu sein. Im Gegensatz zu Besuchen in Restaurants bleiben solche Erinnerungen unvergesslich. Und, das ist klar, ich freue mich auf ein Wiedersehen. Aber diesmal in Österreich. Und diesmal koche ich.
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Social Dining: Tipps für Lissabon
- Patricia bietet auf Ihrer Website www.singulartrips.com nicht nur Kochkurse in Lissabon, sondern auch geführte Touren rund ums Thema Essen an.
- Wer sich von Christina bekochen lassen möchte, kann über www.bonappetour.com oder ebenfalls über www.singulartrips.com anfragen.
Essen: Weitere Genuss-Tipps für Lissabon
- Tiborna – Taberna Portuguesa – Igor besitzt nicht nur ein Bed & Breakfast, sondern seit kurzem auch diese kleine Taverne am Rande des Bairro Alto. Neben hausgemachtem Kuchen bietet er jeden Tag ein ebenfalls selbst zubereitetes portugiesisches Gericht an. Rua de O Seculo 224
- Largo ao Tacho – Bezaubernde Taverne abseits des Touristentrubels mit einer kleinen aber feinen Tapas-Karte. Unbedingt probieren: Zitronen-Tarte mit Merengue. Largo Agostinho da Silva 1A
- Fruteria Saldanha – kleines, schnuckeliges und gut besuchtes Ecklokal. Einfache Küche, nettes Personal und landesübliche Preise. R. Mal. Saldanha 22
- Günstige und authentische Küche aus Portugal gibt’s laut Patricia & Familie auch im Casa Alentejo im Zentrum von Lissabon. Der Alentejo ist zwar die größte Portugals, aber wirtschaftlich schwach und deshalb von Landflucht geprägt. Viele Auswanderer sind bis heute mit ihrer Heimat verbunden geblieben und treffen sich regelmäßig im Casa Alentejo. Aber auch Besuchern steht die einfache Taverne im Erdgeschoss offen. Rua Portas de Santo Antão, 58