Couchsurfing: Die Fremden auf meinem Sofa

Ganz persönliche Couchsurfing-Erfahrungen
Interview mit einer Couchsurferin
Mein Wohnzimmer ist ein internationaler Ort: 25 Quadratmeter und die halbe Welt war schon da. Das ist Couchsurfing.

Mein Wohnzimmer ist ein internationaler Ort: 25 Quadratmeter und die halbe Welt war schon da. Ein Selbst-Interview zum Thema Couchsurfing. 15 Fragen und Antworten.

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Mehrmals im Jahr übernachten auf meinem Sofa Wildfremde aus aller Welt: Als Couchsurferin überlasse ich meine Couch anderen und bin auf Reisen ab und zu froh, wenn ich selbst Unterschlupf bekomme. Für mich ist das nichts Außergewöhnliches. Sechs Millionen andere machen es genauso – von Aserbaidschan bis Zimbabwe. Freunde, Kollegen und Bekannte sehen das aber anders. Vielen scheint die Bereitschaft zum Couchsurfen ein Mysterium zu sein. Immer wieder werde ich mit denselben Fragen gelöchert. Um die wichtigsten davon zu beantworten, habe ich mich selbst interviewt:

Frage 1: Hast du keine Angst, wenn wildfremde Leute in deiner Wohnung schlafen?

Antwort: Am Anfang war es schon komisch. Fast noch mehr für die Gegenseite als für einen selbst: Viele nicht so versierte Couchsurfer muss man erst überzeugen, dass sie sich bei einem wohlfühlen können. Das komische Gefühl vom Anfang hat sich schnell gelegt. Die allermeisten Leute sind einfach so nett und dankbar und nach einem lustigen Abend fallen meistens alle müde ins Bett.

Frage 2: Worüber redest du bloß mit deinen Couchsurfern?

Antwort: Auch die Gespräche sind beim Kennenlernen meisten noch ein bisschen zurückhaltend. Ich war beim ersten Mal total nervös. Mein griechischer Couchsurfer hat mich beruhigt und gesagt, ich soll mir keinen Stress machen. Meistens redet man erst über die aktuelle Reiseroute der Gäste, über Couchsurfing und irgendwann endet man bei Gott und der Welt.

Frage 3: Wie lange bleiben die meisten Couchsurfer?

Antwort: Die meisten bleiben nur ein bis drei Nächte, einige auch länger oder kürzer. Es gilt als stilles Commitment in der Community, die Gastfreundschaft nicht auszureizen. Und wenn doch, dann wird man vorher ganz nett gefragt. Außerdem kann man in seinem Couchsurfer-Profil klipp und klar angeben, wie lange man sein Sofa maximal zur Verfügung stellt.

Frage 4: Verbringst du die ganze Zeit mit deinen Gästen?

Antwort: Mit manchen verbringe ich mehr Zeit, mit anderen weniger. Wer alleine reist, ist meist dankbar über Gesellschaft. Wenn jemand zu zweit unterwegs ist, halte ich mich mehr raus. Fast immer nehme ich mir aber einen Abend Zeit, um gemeinsam etwas Österreichisches zu kochen. Die meisten, mit denen ich etwas unternommen habe, haben Salzburg als schönstes Ziel ihrer Reise in Erinnerung. Das schreiben oder sagen sie mir zumindest. Und ich glaube, da ist etwas wahres dran, denn mir geht es umgekehrt genauso: Erst der wertfreie Kontakt mit Einheimischen gibt einem das Gefühl, ein Land wirklich besucht und kennengelernt zu haben.

Frage 5: Bekommst du Geld von deinen Gästen?

Antwort: Nein, Geld fließt nicht. Das ist nicht die Philosophie von Couchsurfing. Und ich habe nie das Gefühl, eigentlich eine Entschädigung verdient zu haben. Auch wenn man mal keine Lust auf den vereinbarten Besuch hat und das Wochenende lieber alleine verbringen würde – am Ende war jeder Besuch immer noch eine große Bereicherung.

Frage 6: Was, auch zum Essen lädst du sie ein?

Antwort: Ja, meisten kochen wir wie gesagt zumindest an einem Abend gemeinsam. Viele kaufen auch Lebensmittel ein und kochen mir etwas aus ihrem Land.

Frage 7: Was bringt es dir, Couchsurfer aufzunehmen?

Antwort: Es kostet zwar Zeit und meist auch ein bisschen Geld, aber das ist es wert. Es ist wahnsinnig bereichernd sich zu vergegenwärtigen, wie unterschiedlich Menschen aufgewachsen sind, denken, ticken, gestikulieren, reden. Man kann so viel über das Leben in anderen Ländern lernen, aber auch über das Leben an sich, denn jeder hat hörenswerte Erfahrungen und Einstellungen.

Frage 8: Wie bedanken sich die Leute für die Gastfreundschaft?

Antwort: Auch das ist ganz unterschiedlich. Geübte Couchsurfer, die selbst oft Gäste haben, sehen es eher als selbstverständlich an. Andere sind total dankbar, viele bringen kleine Geschenke wie Tee oder Gewürze aus ihren Ländern mit.

Frage 9: Irgendwie interessant. Aber ich glaube, für mich ist das nichts.

Antwort: Muss es auch nicht. Es tickt ja nicht jeder gleich und man soll sich auch nicht unwohl fühlen. Couchsurfing bietet auch andere Wege, um mit Reisenden oder Einheimischen ins Gespräch zu kommen. Mann kann sich zum Beispiel einfach nur mit jemandem verabreden, sich die Stadt zeigen lassen oder daheim seine eigenen Lieblingsplätze herzeigen.

Frage 10: Und wenn ich es doch probieren will – welche Tipps gibt es für Neulinge?

Antwort: Wer daheim zu zweit wohnt, kann vorerst nur andere Pärchen aufnehmen. Das vermittelt Sicherheit und bei vier oder mehr Leuten kommt sicher keine drückende Stille auf (was bei mir auch so noch nie der Fall war). Auch Freunde einladen und ein kleines Essen veranstalten ist wirklich lustig und bringt allen Beteiligten etwas. Der Vorteil dabei ist, dass man sich auch mal ausklinken kann und den anderen das Tischgespräch überlassen. Gemeinsam etwas unternehmen, zum Beispiel wandern oder zum See fahren ist eine weitere Möglichkeit, um für Ungezwungenheit zu sorgen.

Frage 11: Musst du jeden beherbergen, der sich bei dir meldet?

Antwort: Nein. Müssen tut man gar nichts. Meist bekommt man viel mehr Anfragen, als einem lieb ist. Ich habe folgende Erfahrung gemacht: Man soll sich nur darauf einlassen, wenn man auch wirklich Zeit und die Muße dazu hat, weil anstrengend ist ein Besuch trotzdem immer.

Frage 12: Wie oft sind Couchsurfer bei dir zu Gast?

Antwort: Früher hatte ich das Gefühl, dass ich jedem zusagen möchte. Mittlerweile habe ich nur mehr eine Handvoll Gäste pro Jahr, aber um die kümmere ich mich mit besonderer Aufmerksamkeit.

Frage 13: Wie ist es, beim Reisen selbst auf der Couch eines anderen zu surfen?

Antwort: Da geht es mir wie vielen anderen auch: Ich bin eigentlich lieber Gastgeberin als Surfer. Denn als Gast hat man schon immer ein bisschen das Gefühl, möglichst keine Umstände machen zu wollen. Wenn ich alleine reise nutze ich Couchsurfing schon, weil es eine super Möglichkeit ist, Anschluss zu finden. Aber meistens reise ich mit meinem Freund, und da genießen wir – so wie andere Leute auch – die gemeinsame Auszeit im Hotel oder Gästehaus. Manchmal treffen wir uns mit Einheimischen auf ein Bier oder einen Kaffee.

Frage 14: Was, wenn jemand mal nicht so nett ist?

Antwort: Natürlich versteht man sich mit dem einen besser, mit dem anderen schlechter. Man unternimmt dann einfach weniger gemeinsam. In den meisten Fällen ist das aber nicht so, oft habe ich mit meinen Gästen schon Tränen gelacht. Und auch wenn es mal nicht so rund läuft – auch daraus kann man lernen.

Frage 15: Bleibst du mit deinen Couchsurfern auch nachher in Kontakt?

Antwort: Mal so, mal so. Meistens nicht regelmäßig, aber wenn man etwas braucht, ist ein gewisses Vertrauen da. Außerdem hat man schöne gemeinsame Erinnerungen. Und, nicht zu vergessen: meistens auch gleich eine Einladung, auf irgendeiner Couch Tausende Kilometer weit weg zu surfen. Es ist ein schönes Gefühl, Vertraute in der Fremde zu haben. (Maria Kapeller, Mai 2013, kofferpacken.at)

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